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Meldung vom: | Verfasser/in: Axel Burchardt
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Beleben kurzfristige Steuersenkungen, wie sie beispielsweise während der Coronapandemie erfolgten, die Wirtschaft? Wie sehr stützen im Vergleich dazu staatliche Ausgabenprogramme, also Investitionen in Straßen und Windräder und Ausgaben für Bibliotheken und Schulen, die Konjunktur? Wer profitiert besonders von solchen Maßnahmen? Die Frage nach den Konsequenzen fiskalpolitischer Handlungen gehört zu den ewig jungen Themen der Wirtschaftswissenschaft, hat aber in letzter Zeit bedeutende methodische Fortschritte erlebt, erläutert Prof. Dr. Roland Winkler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der neuberufene Professor für Volkswirtschaftslehre (VWL) mit dem Schwerpunkt Makroökonomie gehört zu denen, die die Wirksamkeit und den Erfolg von fiskalpolitischen Maßnahmen sehr engagiert analysieren und wirtschaftspolitische Fragen erforschen.
In Krisenzeiten ist Fiskalpolitik sinnvoll
Die aktuelle Coronapandemie bietet für den Volkswirt – bei aller Brisanz für den Einzelnen –viel Anschauungsmaterial. Grundsätzlich, sagt der gebürtige Bremer, sei die Belebung der Wirtschaft durch Fiskalpolitik vor allem „in Krisenzeiten sinnvoll“. Die Art und der Erfolg hingen aber vom Zustand der jeweiligen Ökonomie ab, daher seien allgemeingültige Aussagen zum Erfolg schwierig. „Es kommt darauf an“, ist ein Satz, den er häufig einsetzen muss, weil Forschungsergebnisse nicht problemlos von einem Land aufs andere übertragbar sind. Oder weil die Ergebnisse nicht von einem Wirtschaftszweig oder Förderprogramm auf andere angewendet werden können.
So sei die kurzfristige Mehrwertsteuersenkung in Deutschland während der Coronapandemie „ein klares Instrument zur Stimulierung der Konjunktur gewesen“, sagt der Neu-Jenaer. Die aktuelle Studienlage spricht für eine deutliche Stimulierung der Nachfrage durch diese Maßnahme.
Winkler selbst hat in seinen aktuellen Forschungen stärker die USA im Blick. Gemeinsam mit Kollegen hat er untersucht, wie dort ein Konjunkturpaket gestaltet sein sollte, um die Entstehung von Arbeitsplätzen für diejenigen anzuregen, die im Zuge der Coronakrise ihren Arbeitsplatz verloren haben. Das Resultat in Kürze: Breitangelegte Erhöhungen der Staatsaufgaben helfen vor allem dienstleistungsnahen Beschäftigten, Arbeiter profitierten hingegen kaum davon. Für diese Arbeitnehmer sei eine Steuersenkung auf Arbeit, etwa über die Einkommenssteuer, sinnvoll, schlägt er einen Weg vor, den er aus seinen Simulationsstudien ableiten konnte. „Wir können nur begrenzt Experimente durchführen und ins Labor gehen“, sagt Prof. Winkler. Stattdessen arbeitet der Makroökonom quantitativ mit Daten und Statistiken und simuliert in Modellen verschiedene Szenarien konjunktureller Entwicklungen und staatlicher Reaktionen. „Das Fach ist sehr viel empirischer geworden“, betont er. Und das will der Wirtschaftswissenschaftler auch seinen Studierenden in Jena vermitteln. Am Beispiel relevanter Fragestellungen sollen Daten und theoretische Analysen verbunden werden. „Wenn mir das gelingt und die Studierenden dabei die verschiedenen Ansätze und Annahmen kritisch hinterfragen, dann bin ich mit meiner Lehre zufrieden“, bringt er sein Vermittlungsprinzip auf den Punkt.
Austausch über das eigene Fach hinaus
Seine Lehre sei aus einem Learning by doing entsprungen, habe aber durch seine fünf Jahre an der Universität Antwerpen, wo ein Lehrzertifikat verpflichtend ist, deutlich gewonnen. Der Austausch zur Lehre über das eigene Fach hinaus habe ihm Perspektiven eröffnet, die er nun auch in Jena anwenden wird. Einer Stadt in einem für ihn neuen Bundesland, die er schon nach wenigen Wochen für ihre Natur und die Kultur schätzen gelernt hat – trotz der Pandemiebeschränkungen.
Roland Winkler wurde 1977 in Bremen geboren. Er studierte VWL in Kiel, wo er 2009 mit einer Arbeit über Konjunkturzyklen promoviert wurde. Als Postdoc arbeitete Winkler am Institut für Weltwirtschaft in Kiel und an der Goethe-Universität in Frankfurt/M. 2011 wechselte er als Juniorprofessor an die TU Dortmund und 2017 auf eine Professur für Makroökonomie an die Universität Antwerpen. Diese verließ er in diesem Jahr und nahm den Ruf an die Friedrich-Schiller-Universität Jena an.